Inspiration & Philanthropie

Kunst, Kultur & Umwelt – ein Thema für philanthropisches Engagement?

Ein Gespräch mit Doris Rothauer, die Botschafterin und Themen-Patin des Projektes „Stiftungen als Akteure für Umwelt- und Klimaschutz“ ist.

Welchen Beitrag Kunst für das Verständnis gesellschaftlicher Fragen zum Klimawandel leistet und wie Kreativität uns helfen kann, neue Lösung zu finden, erzählt Doris Rothauer, Strategie- und Impactberaterin, Expertin und Autorin im Kunst- und Kreativbereich im Gespräch mit Ursula Seethaler.

Ursula Seethaler (US): Frau Doris Rothauer, heute darf ich mit Ihnen als Botschafterin und Themen-Patin des Projektes „Stiftungen als Akteure für Umwelt- und Klimaschutz“ ein Gespräch zum Thema Kunst, Kultur und Umwelt führen. Es freut mich, dass Sie sich dafür Zeit genommen haben.

Ihr Motto ist “Transfer”, Transfer als Strategie. Wie kommt man zu diesem Motto?

Blonde mittelalte Frau mit Brille, die an einem Tisch sitzt mit einem Buch vor sich.
© Anja Günther

Ich habe Wirtschaft studiert, mit einem postgraduate in Kulturmanagement, und ging zunächst die „klassische“ Karriere einer Kulturmanagerin. Meine wichtigsten Stationen waren die Wiener Secession und das Künstlerhaus Wien, das ich als Direktorin geleitet habe. Es war mir immer wichtig, dass der Kunstbereich mit seinem gesamten Potenzial in allen Bereichen der Gesellschaft entsprechend wahrgenommen wird. Später, als ich mich selbstständig machte, absolvierte ich eine systemische Beraterausbildung und fokussierte mich auf den „Transfer“ – auf das Arbeiten und Beraten an den Schnittstellen zwischen Kunst und anderen Bereichen, zunächst der Wirtschaft. Die Schnittstelle zum Sozialbereich und zur Philanthropie ergab sich durch Ashoka Österreich, wo ich das Visionary Program absolvierte. Als Beraterin unterstütze ich Kunstinstitutionen und Kunstschaffende in ihrer strategischen Weiterentwicklung. Themen wie Nachhaltigkeit, Inklusion und Diversität müssen strategisch angegangen werden. Mein Motto ist "designing and fostering impact" - Ich möchte die Wirkung von Kunst und Kultur mitgestalten und fördern.

US: Wie geht man mit dem Spannungsverhältnis Wirtschaft und Kunst um? Wie entsteht gegenseitiges Verständnis?

Eine intensive Beschäftigung mit Kunst und Kultur ermöglicht ein tieferes Verständnis von Kreativität und ihrer Wirkung im Leben ganz generell. Je mehr man liest, Ausstellungen besucht, ins Theater geht, desto besser versteht man die Kunst und ihre Fähigkeit, abstrakte und komplexe Inhalte emotional zugänglich zu machen und unseren Blick auf die Gesellschaft kritisch zu reflektieren. Das kann auch in der Wirtschaft wichtig sein und ein gegenseitiges Lernen fördern.

US: Wie können Kulturinstitutionen Nachhaltigkeit und Umwelt thematisch fokussieren? Die Kunst ist frei.

Kunst und Kultur sind die Säulen gesellschaftlicher Entwicklung. Daher ist Nachhaltigkeit ganz klar eines der wichtigsten Themen auch im Kunst- und Kulturbereich. Kunstinstitutionen müssen Vorreiter im Klimawandel sein und Bewusstseinsänderung mit vorantreiben. Kunstinstitutionen und Künstler*innen gehen dabei Hand in Hand.

Zwei Frauen an einem Tisch sitzend und redend
© Anja Günther

US: Was können Kulturinstitutionen tun um gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen?

Kulturinstitutionen können das Bewusstsein und Verhalten der Menschen beeinflussen. Sie können Menschen dazu bringen, anders über bestimmte Themen nachzudenken und zu diskutieren. Mit ihrer Autorität können sie viel bewegen. Ein gutes Beispiel ist die Tate Modern in London, die bereits 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat und eine Lawine an Reaktionen ausgelöst hat.

US: Sie haben das Projekt „17 Museen 17 SDGs“ begleitet, wie ist es entstanden, warum wurde es durchgeführt?

"17 Museen 17 SDGs" ist eine Initiative von ICOM Österreich und entstand als Reaktion auf Corona, um die gesellschaftliche Rolle und Bedeutung von Museen zu reflektieren. 17 Museen österreichweit wurden eingeladen, sich mit jeweils einem SDG auseinanderzusetzen und Projekte zu entwickeln. Der Prozess führte zu einem tiefgreifenden Umdenken, auch innerhalb der Organisationen, und zu spannenden Kooperationen und Vermittlungsprojekten.

US: Welche Möglichkeiten gibt es für philanthropisch engagierte Menschen oder Institutionen, mit Kulturinstitutionen zusammenzuarbeiten?

Alle Möglichkeiten! Kooperationen zwischen Kulturinstitutionen und Stiftungen sind in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern aber leider noch sehr selten. Vielleicht liegt es daran, dass das Potenzial der Kunst zu wenig erkannt wird. Das Potenzial liegt im kreativen Prozess, und was dieser Prozess auslöst, wenn man ihn gemeinsam geht.

US: Was würden Sie der österreichischen Stiftungsszene empfehlen?

Sich mit potenziellen Partnern aus dem Kunst- und Kulturbereich vernetzen, voneinander lernen und ein besseres Verständnis dafür entwickeln, dass wir an denselben Themen arbeiten und im gleichen Boot sitzen.

US: Welche Leuchtturmprojekte gibt es in Österreich dazu?

Martin Essl setzt sich mit Zero Project für Inklusion und Barrierefreiheit ein und kooperiert dabei auch mit Kunstschaffenden und Kunstinstitutionen. Beispielsweise haben wir gemeinsam den „MuseumsGuide inklusiv“ herausgegeben, der 130 Museen österreichweit mit ihren Angeboten zu Barrierefreiheit und inklusiven Vermittlungsprogrammen vorstellt.

US: Welchen Rahmen braucht es, um sich auf kooperative Projekte einzulassen?

Gemeinsam auf den „Impact“, die Wirkung von Projekten zu schauen. Wir messen den Erfolg von Kunstprojekten und Kulturinstitutionen noch zu stark am Output – wie viele Besucher*innen kommen, wie viele Presseberichte gibt es, etc. In den USA erstellen Kulturinstitutionen Impact-Berichte, das ist hier noch unüblich. Stiftungen könnten durch Kooperationsprojekte helfen, gemeinsam mehr auf den Impact zu schauen, dies zum Ziel von Kooperationen zu machen.

US: Wo sollen Stiftungen und Mäzene sich Anregungen für Projekte holen?

An Kooperationen im Sozialbereich. Zum Beispiel setzt die Caritas spannende und wirkungsvolle Kooperationsprojekte um, wie die Kultur Buddys und den Superar Chor. Sie kooperieren mit Museen und beteiligen sich etwa an Bildungsarbeit zum Thema Migration. Oder die Volkshilfe. Dort hat man gemeinsam mit dem Künstlerhaus Wien ein Vermittlungsprogramm für Menschen mit Demenz entwickelt.

Anregung liefert auch die Stiftungslandschaft in Deutschland oder den USA, wo mit dem Kunst- und Kulturbereich massiv kooperiert wird.

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