Nachhaltige Mobilität
Das vollständige Gespräch mit Carmencita Nader, die Botschafterin und Themen-Patin des Projektes „Stiftungen als Akteure für Umwelt- und Klimaschutz“ ist.
Ursula Seethaler (US): Frau Carmencita Nader, Sie sind seit 2021 Leiterin des Social Bankings der Erste Bank sowie Botschafterin und Patin des Projektes „Stiftungen als Akteure für Umwelt- und Klimaschutz“. Es freut mich, dass Sie sich für unser Gespräch Zeit genommen haben.
Sie haben als Botschafterin zum Thema Philanthropie und Nachhaltige Mobilität das Projekt Eddi Bike ausgesucht. Wie sind Sie zu dem Thema gekommen?
Wir decken im Social Banking ein sehr breites Spektrum an impactgetriebenen Organisationen ab, die wir als Finanzdienstleister aktiv begleiten dürfen. Das Engagement im ökologischen Bereich ist für uns, neben den vielfältigen anderen Themen, ein besonders Wichtiges. Dabei kommt der Mobilität ein besonderer Stellenwert zu, was die Reduktion des CO2-Abdruckes und die Klimaneutralität betrifft. Ich habe auch eine besondere persönliche Nähe zu diesem Thema, weil eine meiner ersten beruflichen Stationen in der Mobilitätsforschung war. Gerade als wir auf den neuen Erste Bank Campus umgezogen sind, ist diese inhaltliche Begeisterung für mich wieder besonders präsent gewesen – von der möglichst intelligenten Anbindung an Bus, Bim und (U-)Bahn bis zu Ausleihmöglichkeit von E-Bikes für dienstliche Wege. Hier geht es für mich im Kern darum, wie kann ich nachhaltige, klimaneutrale Mobilität für alle zugänglich machen? Wie kann ich den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr zum öffentlichen Verkehr und nicht motorisierten Individualverkehr für sehr viele Menschen so angenehm wie möglich machen. Eddi Bike war für mich dabei einfach ein sehr schönes Beispiel, wie man es richtig machen kann.
US: Es gibt ja einige interessante Projekte im Bereich Rad-Mobilität, wie sind Sie auf Eddi Bike gestoßen?
Wir dürfen Eddi Bike als Bank begleiten und kennen daher natürlich das Team, wissen um ihre Geschichte, um ihre Ideen und ihre Pläne. Ihr Engagement und ihre Aktivitäten sind wirklich beeindruckend und daher war es mir ein Herzensanliegen, Eddi Bike vor den Vorhang zu holen.
US: Im ersten Moment denkt man bei Social Banking nicht vorrangig an Themen wie Verkehr oder Ökologie, vielmehr an den Sozial- und Dienstleistungsbereich. Wie gehen Sie bei der Ersten Bank mit ökologischen Themen um, wie gewichten Sie diese unterschiedlichen Themen?
Nicht nur aufgrund des ESG Schwerpunktes (Environmental Social Governance; zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) im Finanzbereich ist Nachhaltigkeit außerordentlich wichtig ist für uns als Bank. Unser Wirken spiegelt sich u. a. auch seit insgesamt mehr als 16 Jahren in den Aktivitäten der Zweite Sparkasse und des Social Banking wider. Wir definieren Impact im Kern gesellschaftlich. Das kann auf der einen Seite sozial sein, wie auch ökologisch, da jede ökologische Entwicklung untrennbar auch eine sozioökonomische Komponente hat. Daher ist das für uns auch in der Betreuung ein absoluter Schwerpunkt.
Mein Auftrag als Social Bankerin kommt ja eigentlich direkt aus dem Gründungsgedanken der der Erste Bank, der jetzt doch schon mehr als 200 Jahren zurückliegt Die Idee ist, jedem und jeder grundlegende Finanzprodukte und -dienstleistungen zugänglich zu machen, das können sowohl Privatpersonen sein, aber auch Organisationen, die sonst klassischerweise vielleicht Schwierigkeiten hätten, einen Zugang zu erlangen. Und das relativ junge Segment der Social Entrepreneurs, zu denen ich jetzt explizit, auch aufgrund des gesellschaftlichen Impacts, ökologisch orientierte Organisationen zähle, ist eben doch was Neues – noch immer – obwohl sich in den letzten zwei Jahrzehnten viel getan hat. Es ist ein Thema, für das man sich sehr viel Zeit nehmen muss und darf und das einfach ein eigenes Angebot braucht. Deswegen gehören sie bei uns als Fixpunkte dazu.
US: Unterscheidet sich die Betreuung von ökologisch orientierten Unternehmen im Verhältnis anderer Organisationen? Gibt es dabei andere Herangehensweisen?
Die Bedürfnisse, sind von Organisation zu Organisation unterschiedlich. Ich glaube, es ist tatsächlich ein so diversifiziertes Feld, dass jede einzelne Kundin einer eigenen Betrachtung bedarf. Abhängig von der Art des Impacts, dessen Messung, der Dauer bis die Idee „fliegt“. Man braucht ein großes Netzwerk von Alliierten, damit man Organisationen, die eben nicht klassische Unternehmer*innen sind, sehr gut begleiten kann. Das alles braucht eine sehr individuelle Betrachtung.
US: Gibt es Angebote, die nur für Social Entrepreneurs entwickelt werden?
Gemeinsam mit dem Europäischen Investitonsfonds (EIF) können wir ein eigenes Angebot anbieten: Es ist eine spezielle Form der Finanzierung für impactgetriebene Gründer*innen und Unternehmer*innen. Das können soziale wie auch ökologische sein. So können wir Organisationen unterstützen, die jetzt eine Bank-Finanzierung benötigen, die sie vielleicht woanders nicht bekämen. Wobei die Größenordnungen und die Art der Finanzierung stark davon abhängt, mit wem wir es zu tun haben, welche Bedürfnisse es gibt, an welchem Punkt die Organisation steht.
US: Wenn Gründer*innen mit einer Idee zu Ihnen kommen, wie treffen Sie die Auswahl und wie lange begleiten sie die Unternehmen durchschnittlich?
Wir begleiten die Organisationen sehr lange. Selbstverständlich skalieren auch Social Entrepreneurs und werden größer und wachsen. Wir kommen immer, wenn wir gebraucht werden, dazu und begleiten sie nach Bedarf weiter. Wir sind ein bisschen wie das Private Banking fürs Soziale und sehr flexibel.
US: Wie wählen Sie Ihre Klienten im Social Banking aus. Social Entrepreneurs formulieren oft impactorientierte Konzepte, bei denen der Return of Investment schwieriger darzustellen ist als bei klassischen Businessplänen. Wie gehen Sie damit um, wie bewerten Sie die Ideen?
Wir haben einen Fragenkatalog, an dem wir uns orientieren. Und auch natürlich die individuelle Betrachtung. Wir schauen uns sehr genau an, ob das eine impactgetriebene Organisation ist oder eine Organisation, bei der der Impact nicht im Vordergrund steht. Das ist für uns schon differenzierbar. Wir finden die Kund*innen unterschiedlich, viele kommen zu uns, da wir als Social Banker bekannt sind. Andere finden wir einfach per Zufall, weil manche Organisationen sehr wohl sehr stark ökologisch und sozial engagiert sind und gar nicht wissen, dass dieser Impact-Fokus ihnen eigentlich das Leben als Social Entrepreneur ermöglicht und damit natürlich auch den Zugriff auf unterschiedliche Förderregime oder vielleicht auch sogar Finanzierungen.
US: Impact wird leider im Marketing inflationär verwendet. Um Impact zu erkennen, muss auch die Wirkung gemessen werden. Haben sie Messinstrumente, die Sie Ihren Kund*innen an die Hand geben können?
Wir sind sehr proaktiv und engagiert. Zum Beispiel dürfen wir jetzt an einem Projekt des Social Entrepreneurship Network Austria (SENA) teilhaben, wo es explizit um das Thema Wirkungsmessung geht. Dieses Thema entwickelt sich gerade stark. Der Wunsch nach einer gewissen Objektivierung und einem Rahmen, der für Entrepreneurs zugänglich und machbar sowie vom Aufwand her überschaubar ist, ist sehr groß. Aktuell schauen wir uns die Wirkung im Rahmen unserer Gespräche an, wie sich die Organisation entwickelt. Dafür haben wir inzwischen einen sehr guten Blick und eigene Werkzeuge. Aber ein wirksames Tool, das alle verwenden können, auf das hoffen wir und bringen uns aktiv im Rahmen des erwähnten Projektes ein. Bis dahin verwenden wir eigene wie auch von Partner*innen in den europäischen Institutionen bereitgestellte Fragen und Kriterien, die wir überprüfen.
US: Hängt die Höhe des angefragten Finanzierungsbedarf von der Branche ab? Also brauchen z. B. technikaffine Social Entrepreneurs mehr Mittel?
Das ist ganz unterschiedlich und hängt davon ab, an welchem Punkt die Organisation ist. Bei den Kleineren geht es oft darum, dass sie einfach Fördermittel überbrücken, bis die Förderung reinkommt. Dann geht es oft um Betriebsmittelkredite. Manche sind in der Expansionsphase, wollen investieren, da gibt es die Investitionsfinanzierung. Es gibt aber auch Social Entrepreneure, die vielleicht ein Immobilienprojekte im Auge haben und da ist die Finanzierung auch schon etwas ganz anderes. An der Branche kann ich es zumindest bisher nicht festmachen, wobei z. B. hoch technologische Unternehmen wohl eher nicht als Social Entrepreneurs agieren. Die Finanzierungen, die wir anbieten, sind durchschnittlich zwischen 50.000€ und 300.000€. Grundsätzlich sind alle willkommen, sofern sie unseren Impact-Kriterien entsprechen. Es gibt keine zu kleinen oder zu großen Projekte. Wir haben auch Expert*innen im Gründer*innencenter, die sehr stark vernetzt sind, was das Thema Förderwesen angeht und auch Impact Investor*innen. Dadurch können wir eine sehr breite Informationspalette bieten, worauf als Gründer*in zugegriffen werden kann.
US: Wie grenzt sich Social Banking von Startups ab, die sehr innovative neue Technologien einsetzen und aus Gründer*innen-Sicht auch impactorientiert sind, wo sind solche Gründer*innen gut aufgehoben?
Im Social Banking geht es vorrangig geht es dabei um das Erzielen einer messbaren, positiven sozialen Wirkung für die Gesellschaft, anstatt um Gewinn für Eigentümer, Mitglieder und Anteilseigner. Das trifft eher selten auf Hochtechnologien zu.
US: Eines ist sicherlich oft schwierig, eine Bewertung der unternehmerischen Gewichtung von Return of Investment und der Impactorientierung durchzuführen.
Ja, das ist sicher ein Thema. Social Banking ist ein Bereich, der dynamisch ist und sich verändert. Die Spielwiese wächst, wird größer und Rahmenbedingungen ändern sich laufend. Wenn wir in einem Jahr sprechen würden, könnte es sein, dass das Spektrum an möglichen Organisationen noch einmal gewachsen ist oder die Art der Leistungen, die wir erbringen, sich verändert hat. Social Banking verändert und bewegt sich gemeinsam mit der Zielgruppe.
US: Noch einmal zur Mobilität zurück. Setzen Sie Schwerpunktthemen für einen bestimmten Zeitraum, um bestimmte Anliegen, wie das der klimaneutralen Mobilität besonders zu unterstützen?
Nein, das machen wir nicht. Wir sind offen. Wir hören uns als Social Banker alles an, den Zugang möchten wir auch beibehalten. Lediglich den Impact-Fokus setzen wir voraus, aber die Stoßrichtung an sich geben wir nicht vor.
US: Social Entrepreneurs sind im Verein SENA-Social Entrepreneurship Network vertreten. Arbeiten Sie mit SENA zusammen?
Ja, der Austausch mit SENA ist für uns sehr wertvoll, weil sie als Vertretung die Perspektive der Unternehmer*innen selbst einbringen. Und das ist sehr fein, wenn die Interessen gebündelt sind und man im Austausch Feedback bekommt. Am Beispiel Impactmessung ist das sehr produktiv, wenn man z. B. Constanze Stockhammer als Vertreterin von SENA, Gründer*innen, die wir begleiten, einzelne Impact Investor*innen und Philanthrop*innen an einem Tisch hat, die sich im Gespräch gemeinsam finden. Ich bin ein großer Fan solcher Netzwerke.
US: Wie würden Sie die Besonderheiten von Social Banking beschreiben?
Ziel des Social Banking ist es, mit Bankdienstleistungen „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu bieten und dort ein Angebot zu schaffen, wo es sonst vielleicht keines gibt. Vieles, das wir anbieten, machen wir nicht allein – die meisten Themen bearbeiten in Kooperation mit Partner*innen, z. B. Institutionen der Europäischen Union, Verbände oder auch Stiftungen. Das wichtige dabei ist, dass wir immer einen sehr gemeinschaftlichen Zugang haben, der zum Ziel hat, unsere Zielgruppe bestmöglich zu begleiten. Unsere Kund*innen sind vor allem gemeinnützige Organisationen und Social Entrepreneurs. Voraussetzung ist dabei ein Impact-Fokus. Wenn dieser klar nachvollziehbar ist, können wir mithilfe unserer Partner*innen in der Europäischen Union auch Finanzierungen z. B. ohne dingliche Sicherheiten anbieten. Wir selbst sind dabei natürlich und aus großer Überzeugung echte Bankpartnerin, das heißt auch, dass wir grundsätzlich kostendeckend agieren.
US: Das entspricht auch der Definition von SENA.
Genau. Philanthropie hat einen riesigen Wert und wir sind auch ausgesprochen gerne Partnerin der Philanthropie. Ich glaube, die beste Wirkung erzielen wir alle, wenn jede*r das macht, was er oder sie am besten kann. Dort, wo es Sinn macht, in der passenden Größenordnung, gemeinsam mit Partner*innen zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
US: Ich komme jetzt noch zu dem Thema Stiftungen. Sie machen Projekte mit Partnerinnen und Partnern? Wie finden Sie die Partner? Bringen die Gründerinnen, die Partner mit? Wo können philanthropisch engagierte Personen mitmachen, sich engagieren?
Ich glaube, die Szene in Österreich hat noch unglaubliches Potential. Stiftungen können nicht nur, aber besonders im frühphasigen Bereich von Gründungen sehr hilfreich sein, das gilt für Vereine, aber auch beim Gründertum im Social Entrepreneurship Bereich. Ich glaube, gerade dort ist eine Bankfinanzierung nicht immer passend. Im Normalfall braucht es hier auch andere Formen der Unterstützung. Stiftungen haben große Möglichkeiten, sich dabei einzubringen. Es gibt in Österreich interessante Hubs und Netzwerke, denen man sich anschließen kann, wenn man bereit ist, ein aktiver Part zu sein. Dann finden sich dort auch die Counterparts. Ein gutes Beispiel ist der Social Impact Hub in Wien, dort kommen Social Entrepreneurs, Investor*innen, Philanthrop*innen, aber auch Banker*innen zusammen.
US: Sie haben erzählt, dass Sie Projekte am liebsten mit Partner*innen machen, wie finden sich die Projektpartner*innen im Bereich Social Banking?
Investor*innen und Gründer*innen müssen sich natürlich selber finden. Wir sind aber im regen Austausch mit Stiftungen und Institutionen im Social Entrepreneur Netzwerk, wenn es um die Entwicklung neuer Angebote geht. So haben wir z. B. mit europäischen Partner*innen gemeinsam Leistungen kreiert.
Zuletzt ist ein Angebot für das Social Banking aus einer Kooperation gemeinsam mit der Erste Stiftung sowie dem EIF hervorgegangen – Quasi Equity, ein eigenkapitalähnliches Instrument zur Wachstumsfinanzierung. Es ist ein gutes Beispiel, wie Stiftung und Finanzexpert*innen zusammenwirken können, um etwas Neues zu kreieren. Auch bei unserer Mikrokreditinitiative war zu Beginn die Philanthropie eine wichtige Partnerin, die Garantien gestellt hat. Mittlerweile werden die Mikrokreditfinanzierungen auch durch den EIF unterstützt. Viele Dinge kommen erst zustande, wenn man gemeinsam Know-How und Risiko teilt und sich auch gemeinsam etwas traut.
US: Eine abschließende Frage, was hat Sie am meisten im Rahmen Ihrer beruflichen Aktivitäten beeindruckt?
Was mich wirklich packt, ist das unglaubliche Engagement, mit dem Social Entrepreneure an den Start gehen. Ich bewundere den Mut und die Ausdauer, eigenen Ideen zu verfolgen und gesellschaftlichen Nutzen zu stiften.
Leiterin des Social Bankings der Erste Bank
„Wir sind ein bisschen wie das Private Banking für Social Entrepreneurs und sehr flexibel.“
Carmencita Nader ist auf internationale Entwicklung spezialisierte Volkswirtin. Sie startete ihre berufliche Laufbahn 2007 beim Austrian Institute of Technology und war danach bei der Bank of New York Mellon in London sowie als Gründungsmitglied der Wipol Akademie tätig. Ihre Karriere in der Erste Group Bank AG begann Nader 2010 als International Trainee im Rahmen des Group Graduate Program. Bereits seit 2015 begleitet sie unterschiedliche Initiativen im Bereich Social Finance, zuletzt als Geschäftsführerin eines Impact Investment Fonds. Seit 2019 ist sie im Social Banking tätig.