Geschichten vom Tun

Radfahren für alle, ohne wenn und aber.

Eine gute Idee, Service und Engagement soll allen die Möglichkeit schenken, unkompliziert auf’s Rad umzusteigen. Eine Vision, die Eddi Bike konsequent verfolgt und Ausreden für alle blass aussehen lassen. Social Entrepreneure, die zeigen wie es gehen kann.

Auf dem Abo-Rad in die Zukunftsstadt?

Mann mit Sonnenbrille und Cap auf einem Rad.

Radfahren hält fit, schont Klima und Geldbörse und macht Städte lebenswerter. Trotzdem wollen viele nicht radeln. Das Team von EDDI Bike will das ändern.

Dass das alles mit Autolärm und einem kaputten Fahrrad begann, das passt – genauso wie die weißen Sneaker von Stephan Ziegler zu den weißen Reifen der Bikes. Ganz konkret war es ja der nicht enden wollende Verkehrslärm vom Bahnhofsgürtel in Graz, der in Zieglers Schlafzimmer drang und dem Studenten den Schlaf raubte. Und dann war da noch das Rad, das mit einem Patschen im Radkeller verstaubte, weil es gerade während der Prüfungszeit zu mühsam war, das Bike zu reparieren.

Der Krach und der Defekt sollten die Gewissheit des Betriebswirts, der in jungen Jahren auf BMX-Bikes herumkurvte, nur verstärken: Jede Fahrt mit dem Auto, die durch eine Fahrt mit dem Fahrrad ersetzt wird, verbessert die Lebensqualität der Bewohner*innen der Stadt. Außerdem ist man mit dem Fahrrad in der Stadt einfach schneller unterwegs und schont dabei auch noch Umwelt und Klima. Für Ziegler war klar: Hier geht es lang, da braucht es neue Lösungen.

An der WU-Wien lernt Ziegler drei Studierende kennen: Philipp Eder, Bastian Kleindienst und Yannick Battistutta. Gemeinsam entwickeln die vier eine Idee. Im Februar 2021, mitten in der Pandemie, gründen sie schließlich ein Unternehmen: EDDI Bike. Ihre gemeinsame Mission: Das Fahrradfahren so einfach wie möglich zu machen, um möglichst viele Menschen aufs Rad zu bekommen – und die Städte durch mehr Radverkehr lebenswerter zu gestalten.

Fahrradreifen in Vordergrund, ein Mann und eine Frau im Hintergrund

Rad nutzen, statt Rad besitzen

„Wir glauben, dass in unseren Städten die Mobilität einbetoniert ist“, sagt Zieger, der im Waldviertel aufwuchs, ehe er zum Studium in die Großstadt kam. „Wenn man sich den Modal Split anschaut von Wien und von Graz, da ist relativ wenig Bewegung. Da braucht es Alternativen, um die Leute zu motivieren.“

Aber warum steigen nicht mehr Menschen aufs Rad, wo doch die Vorzüge klar sind? Für Ziegler und seine Kollegen sind dafür zwei Gründe mitverantwortlich: Ein Rad zu kaufen ist teuer, es geht immer wieder etwas kaputt und die Reparatur ist einfach zu mühsam – und dazu oft auch noch kostspielig.

Das Konzept von EDDI hat Ziegler, der seine Worte mit Bedacht wählt und Sätze spricht, die er schon öfter gesagt hat, schnell erklärt: Rad nutzen, statt Rad besitzen. Über ein Abo können Kund*innen dauerhaft ein Rad mieten. Mit dem Abo bekommen sie Wartung, Reparatur und bei Diebstahl innerhalb von 48 Stunden ein neues Rad.

Auto von Eddi Bike mit Fahrrädern auf dem Dach

Radzustellung und Reparatur-Service

24,90 Euro pro Monat kostet das Bike, wenn man eine Jahresmitgliedschaft abschließt. Für all jene, die noch flexibler sein wollen, bietet EDDI monatlich kündbare Abos. Vor allem ausländische Studierende, die nur für wenige Monate in Österreich sind, würden dieses Angebot nutzen, sagt Bastian Kleindienst, der die Fahrräder nach Abo-Abschluss auf Kundenwunsch direkt vor die Haustüre liefert. Und wenn der Reifen platt ist, die Bremse schleift oder die Kette rasselt, dann holt Kleindienst das Bike auch wieder ab und es wird innerhalb von 48 Stunden repariert. Kein EDDI-Bike wird ohne Grund entsorgt, sondern repariert und wieder aufbereitet, um somit wertvolle Ressourcen zu schonen, sagt Ziegler.

Wird das Leih-Rad gestohlen bekommt man ebenfalls innerhalb von 48 Stunden ein neues Bike und ist wieder mobil. Dann wird eine Bearbeitungsgebühr von 80 Euro fällig. Das soll die Kosten decken können und dafür sorgen, dass mit dem Rad sorgsam umgegangen wird.

EDDI in Graz und bald auch als E-Bike

Bereits zwei Monate nach Marktstart im Frühjahr 2021 kurvte eine dreistellige Anzahl an Fahrräder auf Wiens Straßen herum. Im Mai des Folgejahres hat EDDI knapp 700 aktive Kundinnen und Kunden, sagt Ziegler. Dank frischen Kapitals aus einer ersten Finanzierungsrunde konnte der zweite Standort in Graz eröffnet werden. Bald soll das Angebot auch auf E-Bikes ausgeweitet werden. Jeden Tag gäbe es mehrere Anfragen nach Fahrrädern mit Elektro-Support, erzählt Ziegler. Bei anderen Leihrad-Anbieter – in Wien gibt es neben EDDI Bike noch Swapfiets, Bikegorillaz und Dance – können E-Bikes bereits jetzt ausgeborgt werden.

„Ich träume von einer 15-Minuten-Stadt. Egal, ob zu Fuß oder mit dem Rad, ich bin in 15 Minuten dort. Plus, dass ich mehr Grün habe in meiner Stadt.“

Bike-Hype in der Pandemie bringt Lieferengpässe

Wer ein EDDI-Abo nimmt, kann sich bis dahin auf ein Fahrrad mit einem Aluminium-Rahmen, 40mm breiten, weißen Reifen und einer 3-Gang Shimano Nexus Nabenschaltung schwingen. Das Bike gibt es als Tief- und Hocheinsteiger, in vier verschiedenen Größen. Schloss, Reflektoren und Lichterset gibt es dazu. Diese Räder zu bekommen, war gar für die Jungunternehmer gar nicht so einfach. Das Problem: Nach dem Boom im Corona-Jahr kommen viele Teile-Lieferanten bis heute nicht mit der Produktion hinterher. Staus an den Seehäfen und coronabedingte Schließungen in China haben die Lieferengpässe noch verstärkt.

Faires Fahrrad oder günstiger Preis?

„Das Fahrrad ist ein Paradebeispiel der Globalisierung“, sagt Ziegler. Jedes Teil komme von woanders her, die meisten Komponenten aus China. Viele Parts würden gar nicht in Europa gefertigt oder seien dann zu teuer, um den Abo-Preis niedrig halten zu können. Was sich wiederum nicht mit dem Ziel vereinbaren ließe, so viele Menschen wie möglich aufs Rad zu bringen. Die Ansprüche seinen beim Start andere gewesen, sagt Ziegler. Aber man müsse Schritt für Schritt machen. Zukünftige Bikes sollen jedenfalls noch nachhaltiger werden. Dennoch: Dass das EDDI Bike in Europa und unter fairen Bedingungen zusammengeschraubt wird, das sei schon ein Erfolg. Apropos Zusammenschrauben: Bei der Endmontage helfen Mechaniker:innen aus einem Jugend am Werk-Projekt.

Zwei Männer

Kritik: Start-up-Bros als Klimaretter?

Kompromisse zu finden ist das eine, aber was Eddi-Co-Founder Ziegler richtig ärgert, das sind die Vorbehalte mancher Menschen gegenüber Start-Ups. Dabei hätten die meisten innovativen Unternehmer*innen genauso den Wunsch, eine bessere Welt mitzugestalten, wie etwa Aktivist*innen. Es sei egal, in welcher Form man sich engagiere und einen Beitrag leisten wolle. Auch gehe es nicht darum, das Autofahren zu verteufeln, sagt Ziegler. „Im urbanen Raum leben so viele Menschen auf engem Raum mit so vielen verschiedenen Bedürfnissen. Da geht es nicht darum, dass du die Gruppen gegeneinander ausspielst, weil dann kommt am Ende nichts raus.“

Zur Recherche

Einfach war es nicht, einen Termin für unsere Besuche zu finden. Weil: Die „Eddis“, die sind immer im Einsatz. Und in den vergangenen Wochen hat das Team nochmal mehr gearbeitet, denn da waren sie mittendrin, die Eröffnung des neuen Standorts in der Grazer Jakoministraße vorzubereiten. Im Mai 2021 konnten wir Stephan und Co in Wien und in Graz besuchen. Wir waren beeindruckt vom Engagement und der Zielstrebigkeit der Jungunternehmer. Apropos Drive: Als Fahrrad-Aficionados sind wir natürlich auch eine Runde geradelt und waren echt überrascht, wie gut sich das Bike fährt. Falls sich schon jemand die ganze Zeit fragt: Eddi steht für ecological, diverse, dynamic, innovative.

Hintergrund

Was sagt uns der „Modal Split“?

Der Modal Split bildet das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung ab und wird als wichtigste verkehrspolitische Kennzahl jährlich erhoben. Kategorisiert wird die Verkehrsmittelwahl in öffentlichen Verkehr, PKW, Fußweg und Radfahren.

In Graz war der Anteil der Autofahrer*innen im Jahr 2021 mit 33 Prozent so niedrig wie seit vierzig Jahren nicht. Fuß- und Fahrradanteile sind auf zwanzig Prozent Weganteil gestiegen, so die aktuelle Mobilitätserhebung.

Die Wiener*innen legten im Jahr 2021 drei Viertel ihrer Wege klimafreundlich zurück. 44% aller Wege in Wien wurden zu Fuß oder per Fahrrad erledigt, das zeigt die jährliche Verkehrserhebung der Wiener Linien.

Ein Detail, das immer wieder staunen lässt: 40 % der Autofahrten in Österreich sind kürzer als 5 km.

Wie ökologisch nachhaltig sind E-Bikes?

Wer auf den Radwegen des Landes unterwegs ist, hat es schon geahnt (oder ist selbst mitverantwortlich): In Österreich werden immer mehr E-Bikes verkauft. 2021 waren es insgesamt 220.500 Elektro-Fahrräder. Damit machten E-Bikes bereits rund 45 Prozent aller abgesetzten Fahrräder aus. Aber wie schaut es mit der Ökobilanz dieser Geräte aus?

Was E-Bikes potenziell umweltschädlich macht ist vor allem: der Akku. Und natürlich kommt es dann darauf an, woher der Strom kommt, der für den Betrieb genutzt wird. Jedenfalls: Im Gegensatz zum Auto fällt die Ökobilanz eindeutig positiv aus. Gegenüber dem „normalen“ Fahrrad durch den Herstellungsprozesses, inklusive Akku, leicht negativ. (Details hier nachlesen: Drahtesel & Zero Waste Austria)

Ein E-Bike-Akku kann zehn Jahre oder länger halten, so die Radlobby. Dafür sollte man die folgenden Punkte beachten:

  • Den Akku möglichst nie ganz voll- oder entladen. Eine Verwendung im Bereich von 40 bis 60 Prozent der Speicherkapazität ist ideal.
  • Wird der Akku länger nicht benutzt, sollte er ungefähr zur Hälfte geladen sein und alle paar Monate etwas nachgeladen werden.
  • Der Akku sollte Zimmertemperatur haben, damit die Lithium-Ionen nicht beschädigt werden. Also nicht in der direkten Sonne oder neben der Heizung lagern.

Wir bedanken uns herzlich bei der Erste Bank, die den Themenreigen "Nachhaltige Mobilität" ermöglicht hat!

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