Geschichten vom Tun

#estutnichtweh

„Die Nachhaltigkeit hört bei der Bequemlichkeit auf.“ Ein Satz zum Nachdenken. Renate Steinacher, Gründerin der Initiative #estutnichtweh, gibt darauf eine Antwort, die zum Mitmachen animiert, und uns die Natur neu erleben lässt. Im Video erzählt sie wie das geht.

Achtsamer Blick, müllfreier Berg

Auf dem Bild ist eine Frau, die in der Natur steht und Müll aufsammelt.
© Stefan Schauhuber

Renate Steinacher liebt die Berge. Mit ihrem Verein #estutnichtweh will sie mithelfen, Wege und Gipfel sauber zu halten. Deshalb nimmt sie fremden Müll mit hinunter ins Tal und bringt ihn sogar mit in die Schule.

Mit der Achtsamkeit ist es so eine Sache. Draußen in der Natur, oben auf den Bergen, da sieht man, wenn man eben achtsam ist, auf einmal so viel mehr. Wer nicht vorbeihastet oder raufrennt, entdeckt unbekannte Kräuter und Käfer. Aber nicht nur. Der achtsame Blick fällt dann nämlich auch auf zerfledderte Zigarettenstummel, Plastikflaschen und Getränkedosen. Einmal das Aug‘ geschult, geht es gar nicht mehr anders. Genauso beschreibt es auch Renate Steinacher. Für die Wanderführerin gibt keine Tour mehr ohne Flora-Freuden, aber eben auch nicht ohne Tschick-Funde. Die 43-Jährige zieht deshalb seit einiger Zeit immer mit Spezialausrüstung los. Drecksackerl, Mistzangerl und Tschickdoserl – so schaut es aus, das Equipment für Steinachers Mission: die Berge von Müll zu befreien.

Auf dem Bild ist eine Frau zu sehen, die in der Natur sitzt und meditiert.
© Stefan Schauhuber

Gipfelzigarette zerbröselt zu Mikroplastik

„Wer genau hinschaut, findet überall etwas“, sagt Steinacher, die mit ihrer Bergschule Teilnehmer*innen regelmäßig quer über die Alpen führt. Die Berge würden zwar sauber wirken, leider sei auch dort viel mehr Müll, als man glauben mag. Ein bis zwei Hände voll Müll trage sie bei jeder Wanderung herunter vom Berg. Besonders häufig zu finden entlang von Wegen und bei Rastplätzen: Zigarettenstummel. Diese seien besonders problematisch, weil Giftstoffe aus der Zigarette ins Grundwasser sickern und deren Filter aus gewobenem Plastik zu Mikroplastik zerbröselt, erklärt Steinacher. „Das ist eine Erde. Es kommt alles zu uns retour."

Bei den Alpenüberquerungen sammelte die selbstständige Unternehmensberaterin aus Golling, Salzburg, schon immer den Müll ein, den andere achtlos liegengelassen hatten. Als eines Tages ein Teilnehmer fragt, warum sie den Müll von anderen aufhebt, antwortet sie: „Ja, weil es mir nicht weh tut!”

Auf dem Bild ist eib Beutel zu sehen, auf dem #estutnichtweh drauf steht.
© Stefan Schauhuber

„Das ist eine Erde. Es kommt alles zu uns retour."

Verein #estutnichtweh will Berge sauber halten

Mit der spontanen Antwort war auch gleich der Name für den gemeinnützigen Verein gefunden, den sie gemeinsam mit Freund*innen im Dezember 2018 gründet. Das Ziel der Bergretter*innen von #estutnichtweh: möglichst viele Menschen dazu zu motivieren, das, was andere einfach gedankenlos in der Natur entsorgen, mitzunehmen und damit die Umwelt, die geliebten Berge, sauber zu halten – und das quasi im Vorbeigehen. Wenn jede*r unterwegs einen kleinen Beitrag leiste, dann mache das einen großen Unterschied für die Umwelt, so Steinacher.

„Es ist wurscht, wo du anfängst. Fang dort an, wo es dir am wenigsten weh tut.“

An Steinachers Hüfte baumelt deshalb jetzt stets ein Stoffbeutel, darin eine Holzzange. Mit der Zange pickt die Gründerin und Präsidentin von #estutnichtweh Müll von Wanderwegen und Gipfelpfaden und sammelt sie im „Drecksackerl“.

Workshops und Clean-Ups mit Schüler*innen

Auf dem Bild ist eine Frau und zwei Kinder zusehen, die in der Natur stehen und Müll aufsammeln.
© Stefan Schauhuber

Die Berge von Müll zu befreien, ist für Steinacher aber nur der Anfang. Die Vision ihres Vereins, den auch namhafte Bergsportler*innen unterstützen: zusammen den ökologischen Fußabdruck zu verringern und unsere Lebensweise nachhaltiger zu gestalten. Dabei gehe es nicht nur um den Schutz der Natur, sondern auch darum, wie wir mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen umgehen. Steinacher und ihre Vereinskolleg*innen besuchen deshalb Schulen, um Kinder und Jugendliche in Vorträgen zu informieren, deren Blick zu schulen und in Clean-Ups gleich gemeinsam Müll in der Nachbarschaft oder am Schulweg zu sammeln. Weil, mit der Achtsamkeit kann man gar nicht früh genug beginnen.


Tipps für weniger Mikroplastik:

  • Kunstofffrei trinken: In Österreich werden jährlich über 700 Millionen Liter Wasser in Einweg-Kunststoffflaschen gekauft, und das obwohl bestes Wasser aus der Leitung kommt. Eine eigene Trinkflasche zu verwenden, spart nicht nur Geld, sondern schont auch noch Umwelt und Gesundheit. Coffee to go bleibt im eigenen wiederverwendbaren Thermobecher heiß und kühle Getränke bleiben trotz Hitze erfrischend kühl.
  • Unverpackt kaufen: Lebensmittel kauft man am besten unverpackt und achtet auf deren Herkunft. Auf Märkten oder in Bauernläden lässt es sich wunderbar verpackungsfrei einkaufen. Viele Tipps zum verpackungsfreien Einkauf gibt’s z.B. auf www.wenigermist.at.
  • Kosmetik ohne Plastik kaufen: Beim Kauf von Kosmetik kann man darauf achten, dass diese frei von Mikroplastik ist. In Naturkosmetik und Biokosmetik etwa ist der Einsatz von Stoffen aus Mineralöl und damit Mikroplastik verboten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. bietet mit der App „ToxFox“ die Möglichkeit, Kosmetikprodukte auf Mikroplastik zu prüfen.
  • Kleidung und Waschmittel ohne Plastik verwenden: Textilien aus Kunststoffen setzen beim Tragen und Waschen eine bedeutende Menge an Mikroplastik frei. Abrieb aus Kleidung ist sogar in der Raumluft nachzuweisen. Und auch beim Wäschewaschen lösen sich jedes Mal Fasern. Mit Textilien aus Naturmaterialien, wie z. B. Baumwolle oder Wolle, wird die Freisetzung von Mikroplastik vermieden. Geschäfte, die Ökotextilien anbieten, und vieles mehr finden Sie unter www.umweltberatung.at/oekomode. Die Öko-Rein Datenbank erleichtert die Suche nach mikroplastik-freien Waschmitteln: Waschmittel ohne Mikroplastik: www.umweltberatung.at/oekorein
  • Müll mitnehmen: Müll mit ins Tal nehmen und dort entsorgen. Wer Sackerl und Zangerl dafür will, bekommt beides mit einer Mitgliedschaft hier: https://www.estutnichtweh.org/

Was ist eigentlich Mikroplastik?

Mikroplastik ist die Bezeichnung für kleine Kunststoffpartikel mit einem Durchmesser von unter 5 mm. Diese können bewusst industriell hergestellt und beispielsweise in Kosmetikprodukten oder Reinigungsmitteln eingesetzt werden. Außerdem kann Mikroplastik auch aus dem Abrieb von synthetischer Kleidung, Reifen oder aus zerfallendem Kunststoffabfall entstehen.

Primäres Mikroplastik wird als Kunststoffgranulat produziert und verwendet. Bewusst eingesetzt wird es etwa als Peelingkörnchen in Kosmetikprodukten wie Zahnpasta und Peelings, als Strahlmittel zum „Sandstrahlen“ oder als Füllgranulat auf Kunstrasenplätzen. Sekundäres Mikroplastik entsteht unbeabsichtigt durch chemische und physikalische Zerfallsprozesse von größeren Kunststoffteilen. Witterung, UV-Strahlung, mechanische Beanspruchung und aggressive Reinigungsmittel führen zum Zerfall von größeren Kunststoffteilen zu sekundärem Mikroplastik.

Größere Quellen von sekundärem Mikroplastik sind zum Beispiel:

  • Reifenabrieb durch Autofahren,
  • das Waschen von synthetischen Textilien,
  • das achtlose Wegwerfen von Kunststoffmüll.

Wie kommt Mikroplastik in die Umwelt und was passiert da?

Wenn Kunststoff in die Natur gelangt, wird er zwar kontinuierlich kleiner, aber nicht vollständig abgebaut. Das entstehende Mikroplastik zerfällt in immer kleinere Teile. Kunststoffabfälle können durch Wind und Meer weit transportiert werden und bleiben lange bestehen. Die Materialien von Shampoo-Flaschen oder PET-Getränkeflaschen brauchen in der Umwelt bis zu 450 Jahre, bis sie vollständig abgebaut sind.

Die Kunststoff-Vermüllung der Meere ist mittlerweile als massives Umweltproblem bekannt. In Österreich findet sich Mikroplastik in Kläranlagen oder im Ober-Flächenwasser. Auch unsere Böden sind stark mit Kunststoffabfällen belastet.

Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) stellte in einer Studie aus 2017 fest: Die Verschmutzung mit Mikroplastik an Land ist noch viel größer als in den Meeren, je nach Umgebung um das 4- bis 23-Fache. Es wird angenommen, dass es dadurch auch bei Landlebewesen bereits zu einer Anhäufung von Kunststoff im Organismus kommt. Die langfristigen Auswirkungen dieser Verschmutzung sind noch weitgehend unerforscht.

Warum ist Mikroplastik gefährlich?

Bei der Herstellung und Verarbeitung von Kunststoffen werden zum Teil gefährliche Stoffe wie z. B. Weichmacher, Flammschutzmittel, Farbstoffe und UV-Stabilisatoren zugesetzt. Landet der Kunststoff in der Natur, können diese gefährlichen Stoffe an die Umgebung abgegeben werden.

Die Oberfläche der Mikroplastikpartikel und ihre chemischen Eigenschaften bewirken ein verstärktes Anhaften von Schadstoffen, Schwermetallen, Bakterien oder Viren aus der Umgebung. Es gibt gesundheitsschädliche Stoffe, die sich bereits in der Umwelt befinden. Diese Schadstoffe können sich an das Mikroplastik anlagern und auf diesem Weg über die Nahrungskette in das Verdauungssystem von Tieren und Menschen gelangen.

Zersetzt sich Mikroplastik, treten aus den Kunststoffteilchen Stoffe, wie zum Beispiel Weichmacher oder Bisphenol A, das für die Herstellung von manchen Kunststoffen verwendet wird, leichter aus. Diese Stoffe sind für potenziell hormonelle Wirkungen bekannt und können zu Störungen des Hormonsystems führen.
Untersuchungen der WHO und des österreichischen Umweltbundesamtes stellten fest, dass die Größe der Kunststoffpartikel eine wichtige Rolle auf die Auswirkungen im Körper und in der Umwelt hat. Ist das Mikroplastik größer als 0,15 Millimeter, wird es meist vom menschlichen Körper ausgeschieden. Sind die Partikel jedoch viel kleiner, werden sie verstärkt vom Körper aufgenommen. Es wurden Mikroplastikteilchen und Kunststoffzusatzstoffe in Gewebsproben von Lungen, Nieren, Milz, Leber und anderen Organen gefunden. Es kann noch keine klare Aussage getroffen werden, ob die Kunststoffrückstände im Körper gesundheitliche Schäden zur Folge haben, weil dazu bisher nur wenige Studien vorhanden sind. (Quelle: Broschüre Mikroplastik - Tipps zur Vermeidung von Mikroplastik im Alltag, BMK 2022)

Wie viel Müll produzieren wir in Österreich?

Das Abfallaufkommen Österreichs lag im Jahr 2019 bei rund 71,26 Mio. Tonnen. Österreichs Haushalte produzieren jährlich fast 1,5 Millionen Tonnen Restmüll, rund 165 Kilogramm pro Person, so der Statusbericht der Abfallwirtschaft. Laut einer Erhebung der Montanuni Leoben landeten jährlich rund 250.000 Tonnen Kunststoffe, 200.000 Tonnen Papier, 70.000 Tonnen Glas und 67.000 Tonnen Metalle im Restmüll der Haushalte, ebenso enorme Mengen Biomüll.

Bei den Siedlungsabfällen aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen gab es im Vergleich zu 2015 ein Wachstum um 8 %. Die getrennte Sammlung von Glas-, Metall- und Kunststoffverpackungen aus dem Haushaltsbereich hat von rund 402.100 t im Jahr 2015 auf rund 444.100 t bzw. um 10 % zugenommen.
Die Behandlung sämtlicher Abfälle teilte sich 2019 wie folgt auf:

  • 41 % wurden stofflich verwertet (recycelt und verfüllt);
  • 7 % wurden in Anlagen, die der Abfallverbrennungsverordnung unterliegen, thermisch behandelt;
  • 46 % wurden deponiert;
  • 6 % der Abfälle wurden in sonstiger Art behandelt.

(Quellen: BAWP Statusbericht 2021 & Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe)