Inspiration & Philanthropie

Plastik – Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige Zukunft?

Ein Gespräch mit Thilo Hofman, der Botschafter und Themen-Pate des Projektes „Stiftungen als Akteure für Umwelt- und Klimaschutz“ ist.

Welchen Beitrag interdisziplinäre Forschung zum Verständnis der Zusammenhänge des Umweltproblems Plastik leistet und welche Innovationen notwendig sind, erzählt Univ.-Prof.Dr. Thilo Hofmann, Professor an der Universität Wien im Gespräch mit Ursula Seethaler.

Auf dem Bild sind zwei Personen im Gespräch abgebildet, sie sitzen an einem Tisch
© Hans Peter Heitzinger

Ursula Seethaler: Herr Prof. Thilo Hofmann, heute darf ich mit Ihnen als Botschafter und Themen-Pate des Projektes „Stiftungen als Akteure für Umwelt- und Klimaschutz“ ein Gespräch zum Thema Plastik & Mikroplastik führen. Es freut mich, dass Sie sich dafür Zeit genommen haben.

Seit wann ist das Thema Plastik gesellschaftlich fokussiert?

Thilo Hofmann: Vor etwa 50 Jahren wurden die ersten großen Publikationen zu Nanotechnologie und zu Plastik im Meer veröffentlicht. Seit 20 Jahren gibt es umfangreiche Forschung zu den Umweltfolgen von Nanotechnologie. Plastikverschmutzung wurde erst vor ca. 10 Jahren in der Breite aufgegriffen.

Wie schätzen Sie die Mächtigkeit des Problemes Plastik ein?

Wir produzieren inklusive synthetischen Textilfasern ca. 500 Millionen Tonnen Plastik im Jahr und die werden sich verdreifachen. Das ist also eine gigantische Menge.

Welche Dimension nimmt Plastik bei den weltweiten CO2 Emissionen ein?

4,6% der weltweiten Treibhausgasemissionen sind laut einer aktuellen Studie der Plastikproduktion zuzurechnen, das ist mehr als der gesamte Flugverkehr. Die Hauptquelle für die Treibhausgasemissionen ist dabei nicht Erdöl, sondern der Energieaufwand durch Kohleverstromung bei der Herstellung.

Was denken Sie, muss getan werden?

Plastik sollte erst gar nicht in die Umwelt gelangen. End-of-Pipe-Lösungen wie Clean Ocean, bei denen der Abfall am Ende der Kette gesammelt wird, sind wertvolle Beiträge, können aber nicht die Lösung sein. Es ist schwer genug, Plastik aus der Umwelt zu entfernen, aber das ist nicht genug.

Wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist der größte Hebel eigentlich der Verzicht.

Der sinnvolle Verzicht, möchte ich sagen. Kunststoff ist ein sehr gutes Material. Es ist auch in manchen Bereichen wieder gut verwendbar. Nehmen sie die Glasflasche für Mineralwasser: Ab einer gewissen Transportdistanz hat die Glasflasche einen größeren ökologischen Fußabdruck als die PET-Flasche, vorausgesetzt, sie haben ein sauberes PET-Recycling. Hier sind dann klare politische Vorgaben nötig, wie eine PET-Flasche zu sein hat, um das Recycling sicherzustellen.

Was kann die Forschung beitragen? 

In der Forschung arbeiten wir an vollständig bioabbaubaren Kunststoffen. Also an der Frage, wo können bioabbaubare Kunststoffe mit einer vernünftigen sozioökonomischen Begleitung eingesetzt werden? Das gleiche gilt für Recycling. Da müssen wir in der Forschung noch erheblich weiterkommen. Wir brauchen mehr integrative Forschung über verschiedene Disziplinen hinweg.

Wie wichtig ist dabei die Rolle der Konsument*innen?

Natürlich hat jede*r einen gewissen Hebel in der Hand, in dem man aktiv versucht, Verpackung und Kunststoff zu reduzieren. Aber der große Hebel ist das nicht, weil 70% des Verpackungsmaterials anfällt, bevor die Ware in den Retail Bereich kommt. Und die Individualisierung des Handels über Amazon und Co. bedeutet auch zusätzliche Verpackungsmengen.

Welche Vorgaben braucht es von der Politik, was kann die Wirtschaft leisten?

Es ist wichtig, darüber nachzudenken, welche Incentives und Steuern gesetzt werden können, um Plastik zu vermeiden und um Plastikabfall einen Wert zu geben.

Ein weiter Punkt sind die Städte. Im Moment leben ca. 60% der Weltbevölkerung in Städten, Tendenz steigend. Das bedeutet, die Stadt hat eine große Macht durch Handlungen auf Umweltprobleme einzuwirken. Um zu verändern, müssen wir nicht auf internationale oder europäische Abkommen warten. Die Stadt Wien kann z.B. Lösungen anbieten und eine Vorreiterrolle einnehmen.

Noch einmal zurück zum Thema Mikroplastik – wie kann man dieses Problem in Griff bekommen?

Um Änderungen herbeizuführen, braucht es Regulierung. Unser Labor konnte nachweisen, dass die Additive des Reifenabriebes in Salat aufgenommen werden, den es im Supermarkt zu kaufen gibt. Da ist auf der Regulierungsseite Handlungsbedarf.

Innovation ist wiederum bei ernst gemeinter Green Chemistry notwendig, um umweltfreundlichere „grüne“ Additive herzustellen, die sich wirklich vollständig in der Umwelt abbauen.

Meine Abschlussfrage an Sie, was können Stiftungen in diesem Zusammenhang leisten?

Sie fragen mich als Wissenschaftler. Wenn ich sehe, welchen Schwung wir in Kanada beim Trottier Institute for Sustainability in Engineering and Design haben, welches von der Trottier Family Foundation (Matrox) finanziert wird, oder beispielsweise die Stanford Doess School für Umwelt und Nachhaltigkeit. Diese basieren auf großen Spenden. So etwas fehlt in Österreich. Ein solider ausgestatteter Fonds für Umweltforschung mit einem breit angelegten Board mit Akteur*innen, mit denen die Probleme gelöst werden sollen. Die Projekte könnten sowohl auf der Forschungsseite als auch in der Anwendung im Rahmen von Urban Labs oder Living Labs stattfinden, um integrative Lösungen zu fördern.

Gibt es internationale Vorbilder?

Als Beispiel aus einem Land so groß wie Österreich, um dem Klischee vorzubeugen, dies sei nur in Nordamerika möglich: In Dänemark gibt es die KR Foundation. Sie hat sich die Verwirklichung des dänischen Planes einer 70-prozentigen Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 zum Ziel gesetzt. Eine andere, sehr aktive Stiftung ist die Novo Nordisk Foundation, die sich ebenso der ökologischen Transformation widmet. Beide Stiftungen sind in Dänemark sehr aktiv und fördern Umweltforschung mit großen Volumen.

Lesen Sie das gesamte Interview mit Thilo Hofmann.